19940328 betrifft le général und die kunst

nun, mein lieber wenzel

 

 

vielleicht doch noch eine kleine entgegnung zu deinem schriftstück. zu deiner textmontur, sozusagen. und ich möchte mich über den elektriker auch noch äussern. dann ist schluss. ehrlich. du sagst, dass ein stromer sich vielleicht, und dies sei eine parallele zu dem neueren kühnstler, zwar an einem handwerk ergötze und es als ein konstrukt betrachte, dieses aber nicht in den kunstkontext rücke. recht hast du. das kommt daher, dass sich die handwerker heute nicht mehr getrauen zu singen. oder wie lange schon haben wir keine maler und maurer mehr gehört, die auf dem baugerüst die traviata oder sonst so ein triviales liedgut trällerten. mit intonationsfehlern zwar, aber durchaus erkenntlich. dass dieses fehlende, proletarische sich entwerfen auf die kunst nicht das problem der künstler ist, eher schon das der handwerker selber, ist nicht des künstlers schuld (schon eher das der kommunisten, die der arbeiterschaft sogar das lustige singen verdorben hat - aber lassen wir die polemik). doch bevor wir selber in die unausweichlich bevorstehende kunstdiskussion schlittern, die am ende bei sepp trütsch landet, brechen wir hier lieber ab.

> ein anderes: du schreibst von postmoderne. nun, mein lieber. faxen ist wirklich modern. die post immer veralteter. das ist uns bewusst. und wenn ich auch einen emil-anschluss in meinem haus hätte, so würdens wir noch ein wenig postmoderner machen. letzlich ist modern aber einerlei und scheissegal. das glaube ich. und wenn wir wie früher - du erinnerst dich sicherlich an meinen militärdienst - zum briefkasten hasten würden, um uns mitzuteilen, oder wenn wir wie heute, gemächlich hinüberlaufen, um das blatt in einen schlitz zu drücken: es ist dasselbe. und unnütz genauso. nur eben billiger und schneller. dies zur moderne. und nochwas: ich bin nicht mehrheitsfähig. ich bin, habe ich festgestellt, ob all der monoskiläufer und brückenseilspringer, eine langweilige ratte geworden. ist dies das alter?

> nun aber wirrklich zu den ferien.

> «comment voulez-vous gouverner un pays qui a deux cent quarante-six variétes de fromage?» stellte einst le général die frage. veraltet. weiss man heute doch, dass unser verheissnes ferienland doch weit mehr verschiedene käsesorten hat, als das jahr tage. wenn auch nur weichkäse. aber was solls. gut gelagert, isst halb verspeist. was uns betrifft, sehen wir: auch kulinarisch wird es uns nicht langweilig. aber das mit dem fressen hatten wir ja bereits. noch was vom général?

> «les diplomates ne sont utiles que par beau temps fixe. dès qu'il pleut, ils se noient dans chaque goutte.» das ist schon eher ein tonfall der uns einleuchtet. einfach formuliert und auf die spitze gebracht. ein wahrliches wunderwerk an wahrheit. und so uns das wetterglück ein langes leben lang nicht verlässt, haben wir glück gehabt (nicht nur mit dem général). nur möchte ich bemerken, dass gerade der général unsere körperkulturen und -ausmasse nicht gekannt hat. obwohl selber gross, hat er übersehen, dass just diplomaten wie wir einen rechten schwall wasser benötigten. vielleicht sind wir deshalb auch nicht in die diplomatenschule berufen worden, das wirz wohl sein. diese beiden geflügelten ausreden des général werden und in den kommenden tagen beiseite stehen und und leiten können. die quintessenz: käse ist nicht gleich käse, und für ein bad brauchts mehr als eine staatskrise. dies nebenbei.

> nun ein grusz: steinweg.

 

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