Dramatis Personae

Das Vorspiel auf dem Proszenium (Entwurf)

Das Zwischenspiel (Entwurf für ein Stimmungsbild)

Der erste Akt

Der zweite Akt

Der dritte Akt

Die Pause nebst einer Klammer

 

 

Die menschlichen Feinde - Ein improvisiertes Drama in fünf Akten
von Franz Wenzel

Der vierte Akt

 

 

es ist ein kühler abend, niemand hat wissen können, dass das wetter umschlagen wird, eben fallen die ersten regentropfen. ein wind kräuselt die baumwipfel und bewegt die gräser auf den blumenwiesen. die gesellschaft sitzt versammelt im wohnzimmer. es brennt ein heiteres feuerchen, man ist immer noch müde und mit den gedanken an die letzte nacht beschäftigt. plutos sagt: «er nimmt den trost entgegen wie kalte hafergrütze» und meint damit ganymed, den die nacht arg mitgenommen hat. «ihr habt wahrer gesprochen als in eurer absicht lag», sagt hebe besorgt. «ha, ha ha!» der kommentar des knaben. man beschliesst etwas zu essen. «nun ja, wenn die zeit reif ist.» (phanias) alle wissen, dass die zeit nicht reif zu sein braucht, und man bestellt sich das abendmahl ins warme wohnzimmer. die stimmung gewinnt langsam an lockerheit. plutos spottet über den salat, brennesselsaat nennt er ihn, oder sauerampfer oder malven. alle lachen und scherzen und man bemerkt lange nicht, dass der wind begonnen hat an den fenstern zu rütteln, dass sich die bäume im park bis zum boden biegen und sich ein wahres unwetter nicht nur ankündigt, sondern wirklich und wahrhaftig durchzusetzen beginnt. plutos, phanias und ganymed erheben sich, um nachzusehen, ob draussen alles zum guten steht. «es ist übles wetter für uns alle, wenn ihr umwölkt seid», sagt der koch, als sie durch die küche ins freie wollen. was er wohl damit gemeint hat? kaum sind die drei draussen, sind sie auch schon nass bis auf die haut. dass seine kleider durchlässig seien, wie ein lockeres mädchen, hören wir ganymed fluchen. «alles verloren? betet, betet! alles verloren!» schreien plutos und phanias durcheinander, dann hat der wind sie erfasst und treibt sie willenlos durch den garten, und peitscht sie über den rücken, über den bauch und in die gesichter. schliesslich können sich die männer an drei bäumen festhalten und sitzen jetzt gefangen im windschatten der mächtigen eichen. «ich wollte, der blitz...», plutos schreit, doch man kann ihn nicht richtig hören. «o himmel, oh erde...» lässt sich phanias vernehmen. und schliesslich hört man auch ganymed: «tausend! tausend!» doch der wind zerfetzt die restlichen worte. die drei sitzen zu weit auseinander, als dass sie sich hören könnten. plötzlich sehen wir ganymed erhobenen hauptes hinter dem baum hervortreten. er wandelt in einer säule aus reinem licht und schreitet auf phanias, dann auch auf plutos zu und zusammen wandeln die männer in einer glocke aus helligkeit und wärme durch den sturm zum haus, das sie wie eine insel im tosenden meer an ihre gestade lockt. «o himmel, welch übles spiel trieb man mit uns», sagt phanias als sie das rettende tor erreichen. der sturm scheint sie verändert zu haben denn ganymed sagt, als sie in der halle von der gesellschaft enpfangen werden: «o wunder! wie viele anmutige geschöpfe finde ich hier! wie schön das menschliche geschlecht doch ist! o schöne neue welt, die solchen menschen wohnung gibt.» er lädt alle zu einem gelage ein und man begibt sich in die küche, denn auch die bediensteten sollen mitfeiern. «ich bitte euch, kommt nun.» (plutos) in der küche gesellen sich auch die nordischen stallknechte jack daniels und johnny walker zur gesellschaft. als sie die gläser heben, geht das fest erst richtig los. was vorher als sturm die natur peitschte, geiselt jetzt nicht minder heftig als rausch die trinkenden. es wird gelacht und gesungen, gehüpft und gesprungen. bevor der vorhang fällt hören wir rätselhafte worte: «wann verlort ihr eure tochter?» fragte eine frauenstimme im getümmel. «in diesem letzten sturm», lautet die antwort. vorhang.

[a memorable note on the fourth act: man ist nach diesem akt geneigt zu sagen, dass die erholung, dass die freude, sobald sie sich wohlverdient einstellt, immer gleich wieder in aufregung, in leid, umschlagen muss. wir wissen, dass dem im wirklichen leben so ist und preisen das stück aus diesem grund als sehr lebensnah. ich meine, zum sturm gibt es nicht viel mehr zu sagen als dass sich der teufel eben aussucht in welcher gestalt er wen versuchen will. vielleicht liegt diese deutung allerdings auch ein bisschen zu sehr auf der hand und wir täten besser daran, den sturm als die gewalt der natur, die er ja auch ist, einfach anzunehmen. ein sturm dieser stärke ist selten, so auch heftigste irrungen und wirrungen, wie sie in einem jeden leben auftreten, selten sind. für diese naturgewalt spricht auch die wandelnde lichtsäule, die sich als das gute für die männer verwendet und sie aus dem sturm nach hause führt. zwei kleine rätsel bleiben in diesem vorletzten akt allerdings unaufgelöst. wen meint phanias mit man, das heisst, wen bezichtigt er der urheberschaft dieses bösen spieles? wessen tochter ging in diesem letzten sturm verloren? und was ist mit dem letzten sturm gemeint? solche fragen können weder zum jetzigen zeitpunkt, noch am schluss des dramas beantwortet werden. offenbar geht es hier um eine kategorie von fragen die im leben überhaupt keine antwort finden können. vor diesem hintergrund sind dann auch deutungen, die den verlust der tochter als deren ablösung vom elternhaus zu beschreiben versuchen, lachhaft und irerlevant, ebenso wie die zahllosen versuche, den letzten sturm als den höhepunkt des lebens, gleichermassen als den zenith menschlicher entwicklung, in das stück einzubinden, auch wenn diese wissenschaftler geltend machen, dass das gelage auf eine solche deutung nicht nur explizit hinweise, sondern sie geradezu herausfordere und wenn nicht zwingend, so doch wahrscheinlich mache. das wissen um solcherlei spitzfindige literaturwissenschaftliche streitereien soll uns allerings nicht hindern in medias res nun zum letzten akt überzugehen.]

 

 

Der fünfte Akt

 

 

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