alles eine frage der wirklichkeit

Von Thomas Brütsch

 

meist haben wir etwas kleines heimgebracht. aus südfrankreich die tournierkugeln von jean blanc. aus süditalien die allererste pressung von handverlesenen oliven. aus norddeutschland feuersteine mit zwergenwohnungen. aus nordostpolen handgestickte tischdecken. aus nordspanien eine baskenmütze. schallplatten von charlélie couture. und aus den ardennen eine wasserflasche von pernod.

diese erinnerungen verstopfen unseren haushalt. die boules liegen im kofferraum der ds. immer schön spielbereit. aber selten benutzt. die leeren blechkanister fürs olivenöl warten auf ihre letzte reise in den werkhof. die steine liegen auf dem fenstersims. zugegeben: die stickerein haben wir weitergereicht. sie fallen aus der statistik. die platten hören wir, währenddem wir pastis trinken. und die baskenmütze wartet auf den winter.

das alles ist nur der anfang. man stelle sich vor. schliesslich haben wir schon einige ferienwochen abgespult. all over europe. wir haben französische landkneipen kennengelernt. bars in pamplona. furchtbare spelunken in den ardennen. die alkoholpreise in norwegen. ein philipponenkloster und ein abgetakeltes ausflugsschiff vor nikolaiken. man kriegt beim kramen in erinnerungen ein kleines unlustgefühl, irgendwie. schon weil man sich sofort bewusst wird, wie wenig ferien man im vergleich zur laufenden arbeitszeit absolviert.

die vielen fotografien sind beweis für vieles. stadtkerne. sandburgen. abenduntergänge. morgenaufzüge. böse scheren von wilden hummern. ein gefangener hecht. dahinter der junge fischersmann. die waffenkammer der schweizergardisten. ein plattfuss vorne links. und seine folgen. viele freundliche gesichter. ein aschenbecher vor seiner entwendung. ein mann mit wenig bauch. ein gleicher mann mit mehr bauch. später einfach. das hôtel von madame esterlingeot. verschwommene hafenanlagen.

erst noch die landkarten. die stadtführer. die ortspläne. die eintrittskarten in museen. die abrechnungen aus den besten restaurants. reparaturbelege vom karosseriespengler. bussenzettel. feuerzeuge. visitenkarten. wild auf tischsets notierte telefonnummern. die vorsätze, sich wieder einmal zu melden. das alles füllt mehr als einen ordner. mittlerweile haben wir als organisationshilfen sogar schon kartonschachteln eingeführt. darauf ist zu lesen: wernigerode. rügen. cisternino. revin. cherbourg. salon en provence. le castellet. frombork. innsbruck. siena. rom. paris. und vieles mehr. die pappbehälter verschieben den traum von der geordneten erinnerung bis zum nächsten umzugstermin.

alles eine frage der wirklichkeit.

die kartonschachteln stehen neben anderen kartonschachteln. dort finden sich kataloge für modelleisenbahnzubehör. prospekte über neue autos. erinnerungen an alte autos. fotografien aus der jugendzeit. liebesbriefe. abschiedsbriefe von bekannten. gerichtsverfügungen. heiratsanzeigen. menukarten von hochzeiten. das alles gehört zwar nicht ins departement ferien. hat aber auch mit der gedankenflucht zu tun. einfach weg mit ihnen. fort und im mindesten abgelenkt.

morgen fahren wir wieder. es sind die zweiten zwei wochen in diesem jahr. dann ist schluss. wir fahren in den süden. nach apulien, um genauer zu sein nach cisternino. unserer partnerstadt im süden. zum dritten mal innert jahresfrist ins paradies. in den von steinmäuerchen umrahmten garten eden. wir fahren vielleicht in der nacht. vielleicht auch später. und wie wir uns kennen, nehmen wir ein paar hundertfünfzigprozentig gefüllte sandwiches mit. wir schätzen das. auch das kühle mineralwasser aus dem kofferraum.

weil wir bekannte besuchen gehen, bringen wir etwas kleines mit. es sind erinnerungen an die schweiz. für unsere bekannten. sie leben seit der pensionierung in ihrer alten heimat. in der neuen heimat. der aktuellen. trotzdem möchten sie aus ihrer ehemaligen heimat etwas erhalten. rivella. gelierzucker. gottlieber hüppen. einen iselisberger vielleicht. ein vollkornbrot. sport mint. sugus. lauter dinge eben, die es in ihrer heimat nicht gibt. in der jetzigen heimat, meine ich.

aromat gibts im warenhaus exklusiv. es gibt viele heimgekehrte aus der schweiz.

wir wissen schon jetzt, dass wir wieder etwas kleines heimbringen werden. die allererste pressung von handverlesenen oliven. beispielsweise. in neuen blechkanistern logischerweise. ein paar getrocknete stücke fleisch. das rezept für zitronenlikör. ein paar feigen. lorbeerblätter aus dem garten für die küche. ein paar neue landkarten. stadtpläne. erinnerungen. eine dunkle haut vom strand. spezialitäten aus der dorfbäckerei. kaffee von mocca d'oro. die hausmischung. vakuumverpackt. und: fotos.

und weil das noch nicht genug ist, nehmen wir auch ein paar kartons von unseren bekannten mit. für ihre kinder in der ehemaligen heimat. aus der jetzigen heimat. ein paar kleine grüsse für die enkelkinder. ein paar flaschen selbstgemachten wein. ein paar liter allererste pressung von handverlesenen oliven. eingemachte früchte. getrocknete tomaten. und salsa. das alles werden wir mit nach hause nehmen. wir lassen dir rücksitze wohl besser zu hause.

wir freuen uns jetzt schon auf die erinnerungen.

 

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