file sharing: der grosse datentransfer

eine wegleitung zum projekt «file sharing» im märz/april 2003 im projektraum exex st.gallen.

von matthias kuhn/wortwerk.ch

 

 

die ästhetik, die in wissenschaftlicher beobachtung liegt, interessiert mich mehr, als die säuselnde ästhetik, die nicht in worte zu fassen ist und von der wir dann sagen, sie sei kunst.
h.r.fricker

 

 

nach zwei monaten «file sharing» (im frühjahr 2003) und einer ziemlichen unübersichtlichkeit, vor allem gegen aussen: der versuch einer zusammenfassung. schliesslich waren während zwei monaten die fäden vor allem im hintergund gezogen worden, hatten die gespräche vor allem im kleinen kreis stattgefunden. und wenn gäste involviert waren, stand das «file sharing» selten im vordergrund. obwohl nach konzept eigentlich alles was im projektraum vor sich ging in diesen zwei monaten zum «file sharing» wurde: zum (daten-) austausch, und zum gespräch sowieso. dass das konzept nicht immer im vordergrund stand, trug zur lockeren stimmung bei, zeitweise.

«file sharing» war nach «exklusivklatsch» und «urlaub_online» das erste projekt des wortwerks, das gewissermassen vollständig im realen (kunst-) raum stattfand. die früheren projekte waren am schreibtisch entwickelt und in html geschrieben worden und gingen von diesem schreibtisch aus direkt online.
>>> internetprojekte unter http://www.wortwerk.ch

«exklusivklatsch» - der trilogie erster teil - fand als privates und vor allem unendliches gespräch statt, richtig real - ein nachtessen bewies es mindestens den beteiligten: elisabeth nembrini, marianne rinderknecht und christof salzmann - und wurde für das wortwerk (und ein teil davon für «fuzzy-space») in ein archiv überführt. «exklusivklatsch» versuchte die frage zu klären, was es denn - ganz von den künstler/innen aus gefragt und besprochen - mit der kunst auf sich habe. eine schaurig banale frage, zu der aber immerhin sehr viel kontroverses material zusammenkam. eine antwort freilich konnte nicht formuliert werden.
und man kann das ruhig hier noch einmal sagen: eine antwort war auch nicht das ziel gewesen.
>>> internetprojekt unter http://www.wortwerk.ch/exklusivklatsch

«urlaub_online» - als zweiter teil der trilogie - bot im virtuellen raum ein online-urlaubsmagazin und im realen raum diverse sommer-vergnügungen. und immer berichtete das magazin an vorderste front von den verlockungen des sommers: künstlerisch, literarisch, kulinarisch und so weiter. oder etwa so: was im winter beim exklusiven klatschen noch graue theorie gewesen war, wurde jetzt lustvoller (sommer-) alltag.
>>> internetprojekt unter http://www.wortwerk.ch/urlaub_online

in dieser reihe steht das projekt «file sharing» als abschluss der trilogie.

dazu erst mal folgendes: file sharing meint (daten-) austausch. in diesem sinn und mit dieser absicht hatte ich im projektraum exex mein büro eingerichtet und eine anzahl gäste zu gesprächen eingeladen. gemeinsam war den gästen erstens der bewusste umgang mit plattformen und formaten, das heisst die bewusste suche und wahl der adäquaten orte und mittel für ihre projekte. zweitens verband die gäste deren schwer definierbaren tätigkeitigkeitsfelder in mehr oder weniger gut erkennbaren grauzonen zwischen den disziplinen. zu diesen zentralen fragen fanden die gespräche und auch die veranstaltungen statt.
und nebenbei: in praktisch allen gesprächen schweiften wir ab und verloren gewissermassen die übersicht über den laufenden (daten-) transfer. hier funktionierte die konstruierte analogie zum datenaustausch über die digitalen netze nicht mehr. wir sassen ja eben auch an einem tisch und redeten «face to face». und nicht «peer to peer».
zu den gesprächen, die im im privaten rahmen - und natürlich doch im schaufenster des projektraums - stattfanden, kamen weiterführend präsentationen und gespräche. einige gäste waren eingeladen im rahmen von «file sharing» ihre aktuellen projekte zu präsentieren und diese projekte vor einem interessierten publikum zur diskussion zu stellen.
ergänzt wurde das projekt von einer reihe von veranstaltungen zu den themen von «file sharing».

in einer kurzen übersicht sollen hier die gäste vorgestellt und die themen angedeutet werden.
die vollständigen materialien - das sind die transkriptionen der gespräche und die dokumentationen der veranstaltungen - finden sich in der
>>> online-dokumentation unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing

 

pascal aubry: ETHIK 00
pascal aubry trat an der veranstaltung «text files» mit einem älteren und verschiedenen neuen texten auf. in seiner «dichten schreibung», der publiktation «ETHIK 00» führt aubry eine ethik des umgangs mit fremder subjektivität aus. er meint: «[Das Sprechen über diese Ethik] soll sich lyrisch ereignen, wobei die Form der dichten Schreibung keine reine Poesie ist. Sie beansprucht, Denkinhalte in ästhetischer Form zu gestalten. Gesang und Botschaft begrenzen sich.» dieses kippen der theorie in poesie führte er exemplarisch vor.
>>> veranstaltungsdokumentation unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/dokumentation/20030425.html

christoph bischof: stadtarchiv st.györ
im rahmen des projektes «file sharing» arbeiteten christoph bischof - historiker und germanist aus teufen/st.gallen - und ich am «stadtarchiv st.györ». das stadtarchiv entstand anfang 2003 aus dem älteren wortwerk-projekt «neue ansichten von tengor».
der aufbau des fiktiven stadtarchivs interessiert uns aus literarischer und künstlerischer sicht und geht der frage nach, wie sich anhand von historischen fakten und reiner fiktion eine glaubwürdige stadt erfinden lasse. das archiv soll weiter gefüllt werden mit materialien, die uns die literatur, die geschichte und unsere fantasie in die hände spielt: daraus sollen dann geschichte und geschichten verfertigt werden, die zur konstituierung des fiktiven st.györ und seiner einwohner beitragen.
>>> internetprojekt unter http://www.wortwerk.ch/st_gyoer

petra coronato/tongue tongue hongkong: matrix louvre
an der veranstaltung «text files» stellte die berliner autorin petra coronato ihre neuste publikation «matrix louvre» vor. zuerst jedoch führte sie in die entstehung und die arbeit ihrer firma «tongue tongue Hongkong» ein, die seit nunmehr 10 jahren das recycling schöner literatur verfolgt. in diesem sinn handelte es sich beim auftritt der 10 jahre fest angestellten autorin um einen jubiläumsauftritt.
>>> veranstaltungsdokumentation unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/dokumentation/20030425.html

john flury/arion pascal: die syntharp
in jahrelanger arbeit entwickelt arion pascal - musiker aus teufen - die syntharp, ein elektroakustisches saiteninstrument. in einem gespräch und der veranstaltung «sound files» dokumentierte pascal die lange phase der entwicklung des instrumentes und demonstrierte die klanglichen möglichkeiten zusammen mit dem musikinformatiker john flury, der software für das instrument entwickelt.
>>> gespräch unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/textarchiv/pascal_gespraech.html
>>> veranstaltungsdokumentation unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/dokumentation/20030415.html
>>> weiterführender link http://www.syntharp.com

h.r. fricker: das alpsteinmuseum
fernab der institutionen entwickelt h.r. fricker mit dem alpsteinmuseum ein museumsprojekt, das es sich zum ziel gemacht hat, die informationen dort zu vermitteln, wo die rezipient/innen sie unmittelbar brauchen können: im gegebenen fall im alpstein. das projekt benutzt die berggasthäuser des bergwirtevereins für ortsabhängige kleinausstellungen, mittels derer informationen zu den verschiedensten thematiken der voralpinen bergwelt vermittelt werden. dabei interessieren den kontextkünstler tier- und pflanzenwelt, geologie, aber auch kunst oder soziale themen.
>>> gespräch unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/textarchiv/fricker_gespraech.html
>>> veranstaltungsdokumentation unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/dokumentation/20030403.html
>>> weiterführender link http://www.alpsteinmuseum.ch

marcus gossolt, gianni jetzer und stefan rohner: der zweite golfkrieg
aus aktuellem anlass und zu der von allen seiten gestellten forderungen an die kulturschaffenden sich zum krieg im irak zu äussern, fand ein tag nach kriegsausbruch im projektraum exex das gespräch mit marcus gossolt, gianni jetzer und stefan rohner statt. das gespräch ging der frage nach wie und warum sich kulturschaffende sinnvollerweise zu ereignissen wie dem aktuellen äussern sollten ...
>>> gespräch unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/textarchiv/kriegs_gespraech.html

etrit hasler und richi küttel: simultan
hasler und küttel performten im rahmen der veranstaltung «text files» ein mehrstimmig simultanes sprachengewirr. sie schrieben im voraus dazu: «das gesprochene wort wirkt erst, wenn es beim hörer ankommt. und im verhältnis zum geschriebenen wort bestehen in der aussprache zusätzliche interpretationsmöglichkeiten, die sich in einer simultanlesung potenzieren. durch diese interpretation, zusammen mit der gleichzeitigkeit der gesprochenen worte, entstehen bei den zuhörern unterschiedliche eindrücke, die sich bei jedem einzelnen zu einem subjektiven bild verdichten. dieses bild ist nicht wiederholbar, es ist abhängig vom zufall und der aufmerksamkeit des zuhörers.»
in tat und wahrheit lief die performance wie folgt ab: hasler drückte einem erstaunten zuschauer einen dicken band deutsprachige lyrik aus allen jahrhunderten in die hand und forderte das publikum auf zu lesen, denn er und küttel würden selber nur solange lesen, wie das publikum gewissermassen eine dritte stimme einbringen würde. die performance dauerte über eine halbe stunde, dann versiegte das poetische perpetuum mobile.
>>> veranstaltungsdokumentation unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/dokumentation/20030425.html

ines kargel/fabian neuhaus: mono 1/03
in der verstaltung «sound files», einem gespräch und einem im juni nachgelieferten live-auftritt im öffentlichen raum gaben kargel/neuhaus auskunft über ihr interaktives elektronisches musikprojekt «mono 1/03», das sie im sommer 2003 auf über zwanzig öffentlichen plätzen zwischen schaffhausen und linz zur auführung brachten.
>>> gespräch unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/textarchiv/kargelneuhaus_gespraech.html
>>> veranstaltungsdokumentation unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/dokumentation/20030415.html
>>> und unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/dokumentation/20030605.html
>>> weiterführender link http://www.kargel-neuhaus.net

frank klötgen: spätwinterhitze und
beat suter: cyberfiction
in zusammenhang mit einer einführung in netzliteratur von beat suter präsentierte frank klötgen sein aktuelles projekt, den internetkrimi «spätwinterhitze». in verschiedenen rundgängen werden die leser/innen durch ein text- und bilduniversum geführt, das ihnen die auflösung des mysteriösen falles ermöglichen soll. suters einführung spannte den bogen von den ersten literarischen werken auf diskette bis zum komplexeren mitschreibprojekten im internet.
>>> veranstaltungsdokumentation unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/dokumentation/20030327.html
>>> internetprojekt unter http://www.internetkrimi.de/krimi
>>> internetprojekt, literatur und links unter http://www.cyberfiction.ch

richi küttel und simon b. frei: solarplexus
küttel und frei vom st.galler verein solarplexus gaben im gespräch auskunft über ihre vermittlungsstrategien in sachen junger regionaler literatur. beide verleger sind selber involviert in die boomende slamszene und geben die literaturzeitschrift nerv heraus. ihr verein veranstaltet ausserdem slams und ausstellungen im verlagseigenen showroom.
>>> weiterführender link http://www.solarplexus.ch

stefan rohner, frank und patrik riklin: die sache mit dem gasflaschenschrank
der fotograf und künstler stefan rohner und das künstlerpaar frank und patrik riklin haben sich für die produktion des filmes «die sache mit dem gasflaschenschrank» zusammengetan. der film lehnt sich an vorbilder aus der stummfilmzeit an und entwickelt in episoden die komplizierte geschichte um den transport eines ominösen gasflaschenschankes. im gespräch gaben die drei st.galler auskunft über ihr projekt, zeigten die erste geschnittene szene des filmes als uraufführung und sprachen über die möglichkeiten ihrer zusammenarbeit.
>>> gespräch unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/textarchiv/rohnerriklin_gespraech.html
>>> veranstaltungsdokumentation unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/dokumentation/20030417.html

christof salzmann: daily.soupport
seit einiger zeit verfolgt der deutsche künstler christof salzmann das projekt daily.soupport, das sich mit belanglosen kürzestmeldungen und ihrer medialen aufbereitung und weiterverbreitung beschäftigt. im rahmen von «file sharing» gab er einblick in die firmenphilosophie und zeigte erstmals grössere teile des archives.
>>> gespräch unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/textarchiv/salzmann_gespraech.html
>>> veranstaltungsdokumentation unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/dokumentation/20030320.html
>>> weiterführender link http://www.daily-soupport.com

kurt schmid: thesen zur zeitgenössischen kunst
der kulturaktivist kurt schmid präsentierte im rahmen eines gesprächs unter vier augen seine (vorerst) vier thesen zur zeitgenössischen kunst und erläuterte sie an bespielen. die thesen bleiben in der dokumentation von «file sharing» stehen: unkommentiert ... leider ... (obwohl die möglichkeit zum direkten kommentar besteht.)
>>> gespräch unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/textarchiv/schmid_gespraech.html

hildegard spielhofer: bei tweaklab
die basler künstlerin hildegard spielhofer gab einblick in die verschiedenen bereiche ihrer arbeit als dozentin, vermittlerin, kuratorin und künstlerin. das gespräch zeigte, dass es sich bei ihren tätigkeitsfeldern keinesfalls um trennbare einzelinitiativen handelt, sondern dass im gegenteil, vor allem in den unterschiedlichen zusammenarbeiten, immer wieder neue möglichkeiten entstehen und letztlich hinter allen projekten dieselbe person mit ihren persönlichen interessen steht.
>>> gespräch unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/textarchiv/spielhofer_gespraech.html
>>> veranstaltungsdokumentation unter http://www.wortwerk.ch/file_sharing/dokumentation/20030320.html

 

nach allen gesprächen und veranstaltungen, nach allen geplanten und spontanen treffen ist es ausserordentlich schwierig, eine zusammenfassung der resultate von «file sharing», einen gemeinsamen nenner der gespräche zu formulieren. im nachhinein kann man sicher sagen, dass dies zu erwarten gewesen sei.
ich gehe in meiner arbeit im projekt «file sharing» davon aus, dass diese erörterungen immer weitergeführt werden müssen. und dass sich künstler/innen mit ihrer arbeit immer wieder einer diskussion und auseinandersetzung stellen müssen.

«file sharing» war in doppeltem sinn ein solches forum. erstens haben sich die gäste mit ihrer person und ihren projekten exponiert und zweitens stand auch die arbeit des wortwerks als veranstalter, als urheber der plattform - das ist meine eigene künstlerische arbeit - zur diskussion. wie ich an manchen nachmittag bei unendlichen kaffeerunden gemerkt habe.

(und wieder einmal blieben mehr offene fragen als antworten.)

 

matthias kuhn, st.gallen, oktober 2003

 

 

 

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